Warum brauchen wir einen Sonderweg für den Atommüll aus der Asse?

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Am 4. Mai 2023 hat die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz Steffi Lemke die Schachtanlage Asse II im Landkreis Wolfenbüttel besucht. Das marode Atomlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle steht vor der erforderlichen Rückholung des Mülls, denn bevor die Schachtanlage Asse II stillgelegt werden kann, sollen die radioaktiven Abfälle geborgen werden. Offen ist, was nach der weltweit einmaligen Rückholung mit den 126.000 Fässern geschehen wird, die zwischen 1967 und 1978 im Asseschacht eingelagert wurden. Geplant ist bisher ein Zwischenlager direkt am Standort. Das war das Ergebnis nach einer Standortsuche, die ausschließlich fünf Lagen in Asse-Nähe betrachtete.

Dieses Zwischenlager in unmittelbarer Nähe der Schachtanlage ist mehr als umstritten, insbesondere seit der Bekanntmachung über die verzögerte Endlagersuche. Es braucht eventuell einen Sonderweg.

 

Warum braucht es einen Sonderweg für die radioaktiven Abfälle, die aus der Asse zurückgeholt werden?

Irgendwo muss er hin, der Atommüll, der in Deutschland angefallen ist und auch hier entsorgt werden muss. Diese Aufgabe dürfen wir nicht auf spätere Generationen abschieben.

Niemand möchte gern eine Lagerstätte für Atommüll in seiner unmittelbaren Umgebung. Auch nicht die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Wolfenbüttel, auch nicht diejenigen, die in Remlingen, Vahlberg oder Wittmar zuhause sind, wenige Kilometer von der Anlage Asse II entfernt.

Die Rückholung soll 2033 beginnen. Dann werden es etwa 66 Jahre sein, in denen die Anwohnerinnen und Anwohner in Unsicherheit leben. Denn die als Forschungsbergwerk eingerichtete Lagerstätte kam nie aus den Schlagzeilen: Einsturzgefahr durch den sich bewegenden Berg drohe, der Schacht saufe ab, radioaktiv strahlende Laugen träten aus, Uran und Arsen solle eingelagert worden sein. Eine Horrornachricht folgte der nächsten.

Bekannt sind die Bilder aus den Zeiten der Einlagerung des radioaktiven Mülls in der Schachtanlage Asse II aus den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Darauf zu sehen ist ein gelber Radlader. Er schüttet gelbe Tonnen Atommüll in den Salzstock. Diese Bilder sind entstanden, als ein Fotograf anwesend war. Ich kann nur mutmaßen, wie ansonsten mit den Fässern mit strahlendem Müll umgegangen wurde.

Dieses Bergwerk war nie geeignet, um radioaktiven Müll zu lagern. Eine wissenschaftsbasierte Standortsuche, die den Namen auch nur ansatzweise verdient hätte, gab es nie. 20 Jahre nach der Inbetriebnahme geschah die Katastrophe von Tschernobyl. Die Sensibilität hat sich seitdem sicher noch einmal verstärkt.

Doch mit dem Jetzt-Zustand am Asseschacht haben alle in der Umgebung zu kämpfen. Die Rückholung und Stilllegung, durch das sogenannte „Lex Asse“, das „Gesetz zur Beschleunigung der Rückholung radioaktiver Abfälle und der Stilllegung der Schachtanlage Asse II“, im Jahr 2013 beschlossen, soll dem ein Ende gesetzt werden.

Doch der radioaktive Abfall bleibt.

Die Abfallmengen für das Endlager Konrad in Salzgitter für schwach-und mittelradioaktive Abfälle stehen bereits fest. Die Suche nach einem Endlager für den hochradioaktiven Abfall ist gestartet. Was mit dem Müll aus der Asse passieren soll ist noch nicht klar.

 

Doch darf die Lösung jetzt heißen: Der Müll bleibt vor Ort?

Ein Zwischenlager für den rückgeholten Müll und die umliegenden Salze soll auf der Asse entstehen. Erneut ohne zu schauen, ob es nicht einen anderen Ort geben könnte, an dem ein Zwischenlager sicherer ist, als auf einem Höhenzug mit außergewöhnlicher Pflanzenvielfalt in der Mitte Deutschlands? Große Teil der Asse sind Landschaftsschutzgebiet, entlang befinden sich sehr fruchtbare Lössböden, die ackerbaulich dem günstigsten Böden weltweit.

Das Argument, warum nach der Rückholung und Konditionierung vor Ort ein Zwischenlager entstehen soll ist aus meiner Sicht: Der Müll ist schon da.

Das kann und darf nicht der entscheidende Punkt sein und sollte auch alle anderen Anlieger von Zwischenlagerstätten hellhörig werden lassen. Für mich ist klar: Die Menschen vor Ort sind über alle Gebühr belastet worden über viel Jahrzehnte. Sie weiter zu belasten ist keine gute Lösung, es ist eine riesengroße Ungerechtigkeit!

Ein weitere Umstand lässt mich sagen: Kein Zwischenlager auf der Asse! Und das ist die Tatsache, dass die Endlagersuche sich erheblich verzögert. Die Zwischenlager werden lange bestehen bleiben müssen. Ursprünglich sollte ein Endlager bis 2031 gefunden werden, das Bundesumweltministerium hat bestätigt, dass die Suche bis mindestens 2046 dauern wird, schlimmstenfalls bis 2068. Zu diesem Zeitpunkt wäre der radioaktive Müll, der nie im Asseschacht hätte eingelagert werden dürfen, 100 Jahre dort. Und mit der Findung eines Endlagers ist die Einlagerung selbstverständlich lange noch nicht erledigt. Die Castorbehälter, in denen Deutschland seinen Atommüll einlagert und transportiert, sind für 100 Jahre sicher. Das hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz kürzlich bestätigt. Die Haltbarkeit über ein Jahrhundert hinaus wird zurzeit geprüft. Das bedeutet: Auch die Zeiten der Zwischenlager für die Castoren werden verlängert.

Dieser Zeithorizont macht das Zwischenlager auf der Asse faktisch für die jetzt dort lebende Bevölkerung zum Endlager, oberirdisch, auf einer Anhöhe gelegen, auf einem sich bewegenden Berg, oberhalb eines Salzbergwerks mit zutretendem Grundwasser. Ich stelle nicht in Frage, dass das zuständige Bundesamt für Endlagerung (BGE) einen Asse-nahen Standort auch dahingehend sicherheitstechnisch geprüft hat. Doch selbstverständlich bleibt eine Unsicherheit bei der Bevölkerung, die über die Jahrzehnte leider schon einige Fehlentscheidungen hinnehmen musste.

Was wir brauchen, ist dann ein Sonderweg für den Müll, der in der Schachtanlage Asse II eingelagert worden ist. Einen wesentlich schnelleren, als den der Findung eines Endlagers.